Einer der spannendsten und innovativsten Aspekte der neuen ganzheitlichen Körperarbeit ist das wachsende Verständnis über die vielfältigen Rollen, die das Bindegewebe (die Faszie) für die Struktur, Funktion, die Verteilung der Energie und im Informationsaustausch, in unserem Körper spielt.
Die Faszie ist ein ganz erstaunliches, auf allen Ebenen des Körpers präsentes Gewebe. Wie ein dreidimensionales Netz zieht sich die Faszie durch den ganzen Körper. Sie umhüllt, (unter)stützt, hält, schützt, verbindet und trennt gleichzeitig die unterschiedlichen Anteile der Muskulatur, des Knochensystems und auch der Organe. Das Fasziengewebe ist hochenergetisch und extrem leitfähig und dient daher auch als Grundlage für jede energetische Bewegung und dem Informationsaustausch im Körper/Geist System. (Meridiane nutzen die hochenergetische Leitfähigkeit des Bindegewebes für ihre Bewegung durch den Körper).
Faszien bilden also eine ununterbrochene Gewebeeinheit, die sich von Kopf bis Fuß, aber auch von außen nach innen erstreckt. Es gibt keine Unterbrechungen in der faszialen Kontinuität. Faszien sind somit auf allen Ebenen des Körpers präsent, sie umhüllen alle anatomischen Strukturen (Muskeln, Organe, Gefäße, Nerven etc.), dringen aber gleichzeitig auch in das Innere der Strukturen ein, um diese zu stützen. Die (Faszien-)Hülle bildet und modelliert also die überall präsente anatomische Form des Körpers und umspült zudem die Zellen in Form der Grundsubstanz. Man könnte also sagen, dass Faszien eine oberflächliche Hülle um den ganzen Körper bilden, die sich viele Male teilt und immer mehr in die Tiefe der Strukturen eindringt. Faszien übernehmen auf Grund ihrer Allgegenwart im Körper auch wichtige physiologische Funktionen:
Indem sie die Haltung stützen und die Organe umhüllen, garantieren sie anatomische Integrität. Sie gewährleisten die Funktionsfähigkeit des Muskelsystems, das sich an den faszialen Strukturen abstützt. Faszien bilden das Übertragungssystem für jene Kräfte, welche die Bewegungen des Körpers einleiten und koordinieren. Faszien dienen zudem der Stossdämpfung, dem Schutz gegen Traumata und übernehmen eine wichtige Rolle im Bereich des Stoffwechsels und des menschlichen Abwehrsystems. Faszien stehen über die Grundsubstanz mit der Zelle in einem permanenten Dialog und stellen damit die Kommunikation zwischen Innen und Außen sicher. Als eine Art Schutzschild, dass bereits vor dem Gesamtsystem eingreifen kann, sind sie in der Lage autonome Entscheidungen zu treffen. Aus diesem Grund spricht man von der Faszie auch von einem „peripheren Gehirn“, ausgestattet mit einer „zellulären Erinnerung“. Als zelluläres Gedächtnis registriert das Bindegewebe alle Spannungsmuster und Einschränkungen und kann diese auch bis zu einem gewissen Ausmaß selbstständig korrigieren. Wird diese Grenze überschritten, sind pathologische und degenerative Prozesse die Folge.
Der Humanbiologe Robert Schleip hat in Ulm an einem Experiment gezeigt, dass isoliertes Bindegewebe auf Stress-Botenstoffe reagiert. Das Bindegewebe, das in einer Flüssigkeit lag, zog sich bei der Zuführung von Stress-Botenstoffe zusammen, ohne dass Muskulatur vorhanden war. Somit konnte gezeigt werden, dass psychischer Stress und die damit zusammenhängende Hormonausschüttung, zu Verhärtungen im Bindegewebe führen kann. Nun ist es Gegenstand von Untersuchungen, inwieweit Faszien an der Entstehung von Schmerz aufgrund von Faszienrissen, Faszienverhärtungen und Faszienverklebungen beteiligt sind.
Wenn wir Stress erleben oder eine traumatische Erfahrung machen – entweder als einschneidendes Ereignis oder über längere Zeit – reagiert der Körper mit Anspannung. Die durch den Stress oder das Trauma entstandenen Spannungsmuster führen zu einem eingeschränkten Energiefluß und es manifestieren sich unterschiedlichste Symptome und chronische Unausgeglichenheiten – physisch, emotional, psychisch, spirituell.
Jetzt muss das gesamte Körper/Geist System ständig Energie zur Verfügung stellen um diese Stressmuster und Kompensationen in Gewebe und Struktur aufrecht zu erhalten. Dadurch wird die Lebenskraft immer mehr in diesem Stresssystem gebunden und die dafür aufgewendete Energie steht uns im Hier und Jetzt nicht zur Verfügung. Menschen fühlen sich chronisch erschöpft, unproduktiv. Wenn die Energie fehlt, dann fehlt auch die Kraft und Kreativität, die notwendig wäre um den Anforderungen des täglichen Lebens gerecht zu werden.
Die im Gewebe gespeicherte Stresserinnerung vermittelt dem Körper/Geist ständig das Gefühl, dass das ursprüngliche Ereignis jetzt passiert. Dadurch wird die gegenwärtige Lebenssituation ständig durch den Filter der schon längst vergangenen Erfahrung (oder aus der dadurch resultierenden Projektion in die Zukunft) erlebt. Wir reagieren nicht mehr auf die aktuelle, immer neue Situation, sondern aus den (Miss-)Interpretationen traumatischer Erfahrungen der Vergangenheit. Es entsteht mehr Stress, der zu Fehleinschätzungen führt und zu Handlungen, die der aktuellen Situation nicht gerecht werden können.
Die Faszie erinnert sich. Sie speichert die Bilder, Geräusche, Gerüche, Geschmäcker und Stimulierungen, die während der traumatischen Erfahrung oder in einer stressbelasteten Lebensphase präsent waren. Daher ist es nicht ungewöhnlich, dass, wenn durch adäquate Körperarbeit Spannungsmuster der Faszie gelöst werden, die Erfahrung der Vergangenheit noch einmal durchlebt wird, um dann besser integriert zu werden. Wenn durch ganzheitliche Körperbehandlungen wieder mehr Bewegung und Vitalität in den Körper/Geist zurück kehren kann, lösen sich die oft über viele Jahre im Körper festgehaltenen Stressmuster und Kompensationen. Die Lebensenergie, die seit der traumatischen Erfahrung im Gewebe festgehalten wurde (und damit auch in er Vergangenheit), wird frei und in der Gegenwart verfügbar. Das Trauma kann Schritt für Schritt sowohl physisch, wie auch emotional integriert werden. Durch diesen physiologischen Mechanismus kann sich Körper und Geist von vielfältigen Symptomen befreien und den Anforderungen der Gegenwart wieder unvoreingenommen gerecht werden.
Nächster Termin für Faszienkurse
Fr. 26.02. bis So. 28.02.2021 Graz
Beginn: 18:00 Uhr
Spannende Videos zu diesem Thema:
http://www.ndr.de/fernsehen/sendungen/das/Faszien-was-steckt-wirklich-dahinter,faszien110.html